Samstag, 29. September 2012

Fazit: 4 Wochen

Gestern vor 4 Wochen bin ich in Toronto gelandet und hier angekommen und seitdem hat sich ziemlich viel getan, finde ich. Die erste 3 Tage waren wie im Traum und ich hab irgendwie noch gar nicht realisiert, worauf ich mich eigentlich eingelassen habe.
Ich bin Freitag gelandet und am Sonntag hab ich das erste Mal festgestellt, dass mir meine Familie fehlt. Ab diesem Zeitpunkt ist es steil bergab gegangen und ich dachte, ich müsste sofort nachhause fliegen, weil ich das Heimweh nicht packe.
Ich habe dann für mich beschlossen, dass ich Weihnachten, Neujahr und meinen Geburtstag nicht ohne meine Familie und meine Freunde verbringen will und hab ich meinen Flug umgebucht. Ich habe oft gehört, dass es wahrscheinlich nur eine Reaktion des Heimwehs ist und dass es übertrieben ist, den Flug sofort umzubuchen, aber auch jetzt bin ich noch fest davon überzeugt, dass es die richtige Entscheidung ist.
Ich habe auch gelernt, dass man unterscheiden muss. Anfangs dachte ich immer, dass es keine Rolle spielt ob man zum Schüleraustausch ins Ausland geht, als Au-pair oder ob man "richtig" arbeitet. Damit meine ich, dass ich für mich selbst verantwortlich bin, nicht in einer Familie lebe und auch nicht wie ein weiteres Kind behandelt werde. Das ist ein Riesenunterschied. Kommt man nämlich in eine Familie, wird man automatisch in alle Aktivitäten miteinbezogen und auch wenn ich weiß, wie anstrengend Babysitting sein kann, ist Au-pair im Endeffekt keine wirklich harte, körperliche Arbeit.
Ich wohne alleine, ich kaufe meine Lebensmittel selbst ein, ich bin allein beim Frühsück und beim Abendessen. Außerdem arbeite ich hart in einem Beruf, von dem ich eigentlich wenig Ahnung habe. Ich denke, dass das auch einer der Gründe war, warum mir die ersten paar Tage so schwer gefallen sind.
Die negativen Dinge hab ich jetzt ausführlich genannt, sie sind an manchen Tagen schwer zu ertragen für mich, aber trotzdem überwiegen mittlerweile die positiven Aspekte.
1. Ich hab sehr nette Arbeitgeber. Rose und Bob sind, wie gesagt, ungefähr so alt wie Oma und Opa und kümmern sich gut um mich. Ich bin ab und zu zum Abendessen eingeladen und wenn ich in irgendeiner Angelegenheit Hilfe brauche (wir erinnern uns an meine Nadelverletzung), kann ich immer auf sie zählen. Auch ihre Söhne und die dazugehörigen Familien sind sehr nett zu mir und nehmen mich immer gut auf.
2. Meine Arbeitskollegen sind tolle Leute, die Stimmung ist hervorragend und die meisten Scherze sind ganz nach meinem Humor. Bis jetzt (ich hoffe inständig, das bleibt so) musste ich noch keine harten Arbeiten wie Stallwaschen etc. machen. Es wäre auch nichts, dass mir wirklich was helfen würde, wenn ich es könnte. Ich gewöhne mich immer mehr an die Arbeit und lerne, mit den Gegebenheiten umzugehen (2x pro Tag duschen, Mittagessen im Lunchraum, Arbeitsbeginn 5.30, ...).
3. Ich weiß jetzt, dass ich Landwirtschaft studieren will, ich weiß, wo ich studieren will und ich weiß, warum ich mein Abitur gemacht habe. In Ontario (vielleicht in ganz Kanada, das weiß ich nicht) gibt es so viele Menschen, die für nicht gerade hohe Löhne arbeiten. Da die Infrastruktur hier in der Gegend (meine Ausdrucksweise ist eigentlich nicht treffend, die Gegend von der ich spreche ist 2x so groß wie Deutschland...) ist praktisch nicht vorhanden und deswegen ist das Jobangebot auch überschaubar. Vom Fastfoodrestaurant über verschiedene landwirtschaftliche Berufe bis hin zum Truckfahrer. Und dann hat sich das Ganze auch schon erschöpft.
Ich will später einmal die Gelegenheit haben, genügend Geld zu verdienen, um mir einen guten/hohen Lebensstandard zu sichern und um irgendwann später meinen Kindern dieselben Möglichkeiten zu bieten, die ich hatte/habe. Ich denke, das ist etwas, das ich - wäre ich in Deutschland geblieben - nie so richtig realisiert hätte. Die Menschen, die hier einen hohen Lebensstandard haben sind übrigens meistens die Inhaber der Farmen, also die Bauern. Sie sind in Ontario auch die Berufsgruppe mit dem meisten Ansehen. Wer hier Farmer ist, ist automatisch in der Gesellschaft akzeptiert. Ganz beliebt ist übrigens das Schild "Farmers feed Cities". Finde ich sehr treffend.
4. Ich verbessere mein Englisch. Eigentlich war die Sprache eine meiner Sorgen, weil mir ein gewissen Englischlehrer in der Oberstufe nicht gerade die besten Noten gegeben hat und ich mich an kein Lob oder Ähnliches erinnern kann. Hier sind alle begeistert von meinen guten Englischkenntnissen. Ihr merkt also, Lehrer sind nicht immer objektiv ;) Ein paar Vokabeln hab ich schon dazugelernt, und ich hoffe, dass es noch mehr werden und ich am Ende der Zeit hier mein Englisch so weit verbessert habe, dass ich jede Art von Unterhaltungen ohne Einschränkung führen kann. Mal sehen, ob das klappt.
5. Ich lerne Kanada kennen. Für mich war Kanada immer ein Land, von dem ich zwar wusste, wo es liegt, aber von Nordamerika haben mich immer bloss die Staaten interessiert. Jetzt wo ich hier bin, merke ich, dass es hier völlig anders, aber trotzdem schön und sehenswert ist. Die Natur und die endlose Weite sind etwas, dass ich froh bin, erleben zu können, von dem ich aber auch weiß, dass ich die "Enge" Mittelfrankens vorziehe. Meine eventuellen Auswanderungsgedanken, die ich in akuten Fernwehzeiten hatte, sind jetzt übrigens auch gecancelt ;) Die Menschen hier lieben ihr Land und als ich letztens das Sozialsysten kritisierte, wurde sofort verteidigt, obwohl es offensichtlich ist, dass sie kein besonders gutes System haben. Außerdem fällt die erwähnte Kanada-Flagge auf. Die "Städte" hier sind alle ein bisschen rückständig, machen jedenfals keinen sonderlich modernen Eindruck und kommen an deutschen Standard nicht heran. Als nächste bin ich natürlich auf Toronto gespannt und neugierig darauf, wie diese Stadt so drauf ist.

Mein Fazit nach 4 Wochen fällt also alles in allem sehr positiv aus. Mein Heimweh war eine schwere und eher tränenreiche Erfahrung aber im Endeffekt positiv, da es mir zeigt, wie sehr ich an meiner Familie, meinen Freunden und meiner Heimat hänge. Das war mir vorher nicht so extrem bewusst.
Ich hoffe, dass die nächsten paar Wochen spannend bleiben und ich im Dezember glücklich, gesund und mit vielen positiven Erfahrungen wieder nach Hause zurückkommen kann.

Bis bald,
Lisa

Keine Kommentare: